דויד גרוסמן:
איתי החיים משחק הרבה
David Grossman:
Was Nina wusste
David Grossmans Roman Was Nina wusste [iti ha-chajim messachek harbej (Leben hat viel gespielt mit mir) heb. 2019, dt. 2020] spielt in Kroatien und in einem Kibbuz im Norden Israels. Er beruht auf der wahren Geschichte der historischen Figur Eva Panič-Nahir, die im Roman Vera heißt, ist aber über weite Strecken fiktiv und kreist um eine schicksalhafte Entscheidung in Veras Biografie, die das Leben ihrer Tochter Nina und ihrer Enkelin Gili nachhaltig traumatisiert hat. Gili versucht, den Kern von Veras Entscheidung zu verstehen und so vielleicht die Weitergabe des familiären Traumas in die vierte Generation aufzuhalten.
Enkelin erzählt über Mutter und Grossmutter
Erzählt wird der Roman primär von der 40-jährigen Enkelin Gili, einer Filmemacherin, die das Handwerk bei ihrem Vater Rafael gelernt und in dessen Produktionen schon als junges Skriptgirl mitgearbeitet hat. Nach und nach wird klar, dass der Leser im Grunde die Aufzeichnungen liest, die Gili für einen Dokumentarfilm über ihre inzwischen 90jährige Großmutter anfertigt. Die war damals unter Tito wegen des Verdachts für Stalin zu spionieren auf die Gefangeneninsel Goli Otok verbannt worden und hatte ihre sechsjährige Tochter, Gilis spätere Mutter Nina, weggeben müssen.
Gili hat bei ihrem Vater gelernt, alles, was am Set passiert, zu notieren, alles, „was die Kamera einfängt und vor allem, was sie nicht einfängt“ – auch ganz subjektive Gedanken und Gefühle. Genau in diesem Sinne notiert sie nun alles, was vor und während einer Reise ihrer dysfunktionalen Familie auf die ehemalige Gefangeneninsel geschieht.
התרגום
Die Übersetzung
Die Herausforderung für die Übersetzung waren die vielen verschiedenen Ebenen der Narration: ständige Rückblenden, Rückgriffe auf alte Filmaufnahmen, auf Erzählungen von Vera und von Gilis Vater Rafael und natürlich auf Gilis eigene Erinnerungen. Alles wird den Lesern von der Enkelin präsentiert. Oft sind die Übergänge aber nicht markiert und Gili springt mitten in Szenen hinein, sodass man sie ganz unvermittelt, wie einen Film erlebt.
Eine weitere Herausforderung war der hebräische O-Ton der gebürtigen Kroatin Eva Panič-Nahir, auf den Grossman viel Sorgfalt verwandt hat. Hierzu habe ich mir bei der in Kroatien geborenen Autorin und Kroatischübersetzerin Alida Bremer Hilfe geholt. Sie erklärte mir die typischen syntaktischen Fehler kroatischer Muttersprachler im Deutschen und beriet mich auch im weiteren.
Fehlerhaftes Ivrith ins Deutsch holen
Zunächst habe ich Veras Stimme also in ein gebrochenes, kroatisch gefärbtes Deutsch übersetzt, doch dadurch wurde sie ziemlich stereotyp. Und sie klang zu dumpf für eine Frau, die, wie mir Alida Bremer versicherte, in ihrer Muttersprache (und trotz aller Fehler auch auf Ivrith) doch sehr präzise formulierte.
Deshalb entschied ich mich dafür, dass sie keine aktiven Fehler macht, sondern nur einige Eigenheiten der deutschen Sprache nicht berücksichtigt: und zwar durch die typische Beschränkung auf das Perfekt als einzige Vergangenheitsform, durch den Verzicht auf den bestimmten Artikel und vor allem durch das unmittelbare Schließen der deutschen Verbklammer nach dem finiten Verb. Letzteres hat den Vorteil, dass am Ende des Satzes, wo ja die Betonung sitzt, nun wirklich sinntragende Wörter stehen. (Etwa: „Sie haben ihm heiß gemacht die Hölle!“)
Eindringlichkeit wichtiger als kroatischer Ton
Gerade durch diesen letzten Schritt entstand auf Deutsch plötzlich diese Eindringlichkeit von Veras Stimme, die man auf Ivrith so stark spürt und die meines Erachtens letztendlich viel wichtiger ist als ein realistischer kroatischer Ton.
Im Juli 2019 trafen sich alle zu dieser Zeit an dem Roman arbeitenden ÜbersetzerInnen mit David Grossman zu einem viertägigen Seminar in Kroatien, wo wir mit ihm alle unsere Fragen und Lösungsansätze besprechen konnten.