Porträt Autor Yehuda Amichai

יהודה עמיחי

Jehuda Amichai

Jehuda Amichai (1924 – 2000), in Würzburg geboren, verbrachte seine Kindheit im Umfeld der dortigen jüdischen Gemeinde und bei seinen frommen Großeltern, die einfache Landjuden waren. Er mochte die religiösen Rituale, die ihn umgaben, und bewahrte sich seine Kindersicht darauf auch nachdem, er sich längst von der Religion abgewandt hatte, als Erwachsener und Dichter. 1936 war seine Familie gezwungen, nach Israel auszuwandern. Amichai galt über viele Jahrzehnte als der moderne israelische Nationaldichter und ist der bis heute in Israel meistgelesene und auch ein vielfach vertonter Lyriker. Sein Werk spiegelt bis ins Alter immer wieder die Auseinandersetzung des säkularisierten Menschen mit seinen religiösen Wurzeln.

Foto: ©Poet’s estate

הכתיבה

Das Werk

Amichai bringt in den 50er-Jahren einen bis dahin völlig ungewohnten, unfeierlichen, aber sehr sinnlichen mündlichen Ton in die hebräische Lyrik, wobei er immer wieder Formulierungen aus biblischen Kontexten und Gebeten verwendet, diese aber auch dekonstruiert. Die Möglichkeit, problemlos auf jahrtausendealte hebräische Texte zurückzugreifen, gehört zu den historischen Besonderheiten des Hebräischen.

Gerade Amichais an Überraschungen und Rätseln so reiches, mutiges poetisches Sprechen und gerade sein entschiedenes Festhalten an den alten religiösen Quellen der hebräischen Sprache, die so fern vom gedanklichen Horizont seiner zeitgenössischen Leserschaft waren, machten ihn zu einer Art Propheten einer neuen israelischen Spiritualität, einer faszinierend vielschichtigen, weltlichen Spiritualität.

(Ariel Hirschfeld im Nachwort)

התרגום

Die Übersetzung

Die ersten Texte, die ich ins Deutsche übersetzte, waren nicht zufällig Gedichte von Jehuda Amichai. Sie waren die ersten literarischen Texte, die wir in Einwanderersprachkursen lasen, denn sie sind in ihrer ziemlich alltäglichen Sprache schon für Anfänger zu verstehen, wenngleich sich die tieferen Dimensionen erst nach und nach offenbaren. Übersetzt habe ich sie damals, um meinen Eltern in Deutschland zu zeigen, „was für eine tolle Lyrik es hier gibt“. Ich war fasziniert von Amichais Ernst und Humor im Umgang mit den traditionellen Quellen, und mit welch einfacher Sprache er komplexe Emotionen darzustellen vermag.

Relevante Auswahl von Gedichten, 20 Jahre nach Amichais Tod

Als der Suhrkamp Verlag mir anbot, beinah 20 Jahre nach Amichais Tod eine relevante Auswahl seiner „bleibenden, klassischen“ Gedichte neu zu übersetzen, nahm ich diesen Vorschlag gerne an und bat Prof. Ariel Hirschfeld, eine für das heutige israelische Publikum relevante, repräsentative Auswahl zu treffen, die einen chronologischen Bogen von Amichais ersten bis zu seinen letzten Gedichten schlägt. Die Ausgabe war zweisprachig konzipiert; ich hoffte, dies würde nach Dan Pagis und Yitzhak Laor mein dritter zweisprachiger Lyrikband; doch das ließ sich letztlich nicht realisieren. Nur fünf zentrale Gedichte erscheinen nun zweisprachig am Ende des Buches.

Wichtig war mir bei der Neuübersetzung zum einen, das Amichai eigene, völlig ungezwungene Parlando ins Deutsche zu bringen. Wo meine VorgängerInnen diesen speziellen Amichai-Ton gut getroffen hatten, habe ich einige ihrer Übersetzungen in die Ausgabe mit aufgenommen.

Anspielungen auf religiöse Texte

Zum andern wollte ich den deutschsprachigen LeserInnen Zitate oder Anklänge an biblische Verse, Gebete oder Szenen des traditionellen jüdischen Lebens bewusst machen, die sie in einem weltlichen Gedicht nicht vermuten und denen sie nicht nachspüren würden. Ich habe die entsprechenden Textstellen unter die Übersetzung des Gedichts gesetzt, nicht als Interpretation, sondern als Einladung an den Leser, das Gedicht im Dialog mit diesen Quellen noch einmal zu lesen.

Starke Schlusszeilen unpassend

Eine große Versuchung bestand anfangs darin, die Gedichte mit einer starken, pointierten Schlusszeile enden zu lassen. Sie hätte die Übersetzung „schöner“ und „eindringlicher“ gemacht, doch genau das passt meistens nicht zu Amichais Ton, der viele Gedichte verhalten, manchmal zweifelnd oder auch ganz beiläufig ausklingen lässt.

הספר

Das Buch

Cover Buch Jehuda Amichai Offen verschlossen offen
Offen Verschlossen Offen. Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag 2020.

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Aharon Appelfeld

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