Porträt Tamar Weiss Gabbay. Foto: Hila Shiloni

תמר ווייס גבאי

Tamar Weiss Gabbay

Tamar Weiss Gabbay, geboren 1975, lebt in Jerusalem und ist Autorin, Lektorin und Drehbuchautorin. Sie schreibt für Erwachsene und Kinder mit besonderem Schwerpunkt auf Natur und ökologischen Themen. Darüber hinaus leitet sie verschiedene Sozial- und Literaturprojekte.
Foto:©Hila Shiloni

הכתיבה

Das Werk

Kidstory ist keine Geschichte von mächtigen Königen, wichtigen Kriegen und außergewöhnlichen Entdeckern, sondern die Geschichte von ganz gewöhnlichen Mädchen und Jungen von der Steinzeit an bis heute. Wie auf einem Zeitstrahl beschreibt dieses Kindersachbuch in 20 Kapiteln immer einen Tag im Leben eines Kindes zur jeweils behandelten Zeit. Über die historischen Fakten hinaus, ziehen sich zentrale kulturelle Themen leitmotivisch durch das ganze Buch: das Verhältnis des Menschen zur Natur, die Anfänge des Besitzdenkens, die Faszination von Gold, die Anfänge religiösen Denkens und das Zusammenleben verschiedener Religionen; die Stellung von Mädchen, Klassenunterschiede, Reichtum und Armut, Migration, Körperverherrlichung und Körperfeindlichkeit und das sich Abfinden mit dem eigenen Körper, den man eben hat.

 Die Kinder können sich zum Beispiel hineinversetzen in das erste Mädchen, das entdeckte, wie man Feuer transportieren kann, sie lesen, dass man in der ersten Schule in Mesopotamien keine Hefte mitbrachte, sondern seine Lehmtafeln für den Tag dort selbst angefertigte, wie man in Straßburg glaubte, seinen kleinen Bruder in Zeiten der Pest schützen zu können oder wie im Inkareich Diebstahl bestraft wurde.

Kinder aus Burkina Faso finden in diesem Buch genauso ihre Vorfahren wie etwa jüdische, moslemische, christliche Kinder, oder auch Kinder, die etwas anders sind als die meisten anderen und sich zum Beispiel lieber zurückziehen als dauernd mit anderen zusammen zu sein.

התרגום

Die Übersetzung

Ich musste mich bei der Übersetzung an die vorgegebene typographische Satzvorlage mit den Illustrationen von Shiraz Fuman halten. Da das Deutsche aber um etwa ein Drittel länger ist als das Hebräische, das keine Vokale schreibt, mussten wir den Text stark verdichten, ohne dabei die Nuancen, die den Charakter der einzelnen Kinder ausmachen, aufzugeben.

In jeder Sprache liegen die Bedeutungsgrenzen der Wörter etwas anders. Das Hebräische besitzt zum Beispiel ein allgemeines Wort „beged“ das jede Art von Bekleidung umfasst, etwa so, wie man früher „Kleid“ oder „Gewand“ sagen konnte, ohne sofort an Mädchenkleider zu denken. Da wir das auf Deutsch nicht haben, musste ich in jedem der prähistorischen Kapitel die Autorin und ihre wissenschaftlichen Berater fragen, ob es sich bei beged nun um einen Umhang aus Fell, ein Kleid aus Lederstücken oder ein langes Hemd handelt. Ähnlich ging es übrigens auch der Illustratorin, die sogar recherchieren musste, welche Pflanzen es vor Jahrtausenden in den beschriebenen Gegenden gab.

„Vor Christus“ oder „vor unserer Zeitrechnung“?

Die Autorin verwendet durchgehend die Formulierung „vor unserer Zeitrechnung“ bzw. „unserer Zeitrechnung“, was ja nur vernünftig ist. Ich hätte das gerne beibehalten, doch das Lektorat befragte dazu auch Grundschullehrerinnen, die meinten, diese Art von Bezeichnung (v. u. Z.) käme bei ihnen noch überhaupt nicht vor. Deshalb haben wir uns um der besseren Orientierung willen der Norm des christlichen Westens angepasst, wenngleich es etwas merkwürdig ist, die Frühgeschichte oder Ereignisse in der chinesischen, moslemischen oder jüdischen Welt ausgerechnet in Bezug auf die Geburt Christi zu terminieren.

Übersetzen bedeutet Transkulturieren

Ein Kindersachbuch, das mit Zeitsprüngen von Jahrtausenden und Jahrhunderten in Afrika, Europa, Süd- und Nordamerika, und dem Nahen Osten spielt, versucht natürlich, alle Informationen explizit zu formulieren, sodass die Kinder kein Vorwissen brauchen. Umso überraschter war ich, dass sich im Original doch implizite Grundannahmen befanden, die bei anderssprachigen Lesergruppen nicht vorausgesetzt werden können.

In dem Kapitel über das Mädchen Merit-Amun in Ägypten, 1500 Jahre v. Chr. zum Beispiel werden die Neujahrs-Feierlichkeiten am Nil beschrieben. Da der Jahreswechsel im ägyptischen wie im jüdischen Kalender immer in den Herbst fällt, muss die Autorin die Jahreszeit nicht extra dazuschreiben. Das wäre an sich auch nicht besonders wichtig, doch wenn sie danach erzählt, wie der Nil alles überflutet, wie in dem stehenden Wasser Bakterien gedeihen und sich Seuchen verbreiten, musste ich einfügen „nach der Festzeit am Ende des Sommers“, denn für deutschsprachige Kinder ist Neujahr am 1. Januar, und da sind die Hochwasser des Nils längst vorbei.

In dem Kapitel über Zadok, der mit seiner Familie im Jahr 400 v. Chr. aus dem Babylonischen Exil ins Land Israel/Palästina zurückgekehrt ist, wird nicht ausgesprochen, dass dieses Kapitel von Juden handelt, denn das erkennt jedes Hebräisch lesende Kind bereits am Namen des Jungen und beim ersten Hinweis auf das Babylonische Exil. Diese Stellen musste ich mit mehr Informationen unterfüttern, wie auch die Bedeutung des Exils und der Rückkehr überhaupt.

In dem Kapitel über Livia in Rom, 300 n. Chr., geht es um eine Zeremonie, in der das Erwachsenwerden des Mädchens gefeiert wird, ähnlich der Konfirmation oder Firmung oder der Jugendweihe in der DDR, doch das sind alles religiös oder ideologisch geprägte Begriffe, die nicht in die Zeit vor 1700 Jahren in Rom passen. Ich habe allerlei Synonyme gesucht, die etwas mit Entwicklung zu tun hatten, und dann das Wort „Reifefeier“ gebildet.

הספר

Das Buch

Cover Tamar Weis Gabbay Kidstory
Kidstory. Von der Steinzeit bis heute. Die Weltgeschichte aus Kindersicht. Illustrationen von Shiraz Fuman, Verlag Fischer Sauerländer 2024.

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