אהרן אפלפלד

Aharon Appelfeld

Aharon Appelfeld, geboren 1932 in Czernowitz, starb 2018 in Israel. Deutsch war seine Muttersprache. Es war die Sprache der frühen Kindheit, der Erinnerungen an die Familie.

Deutsch war die erste Sprache eines Menschen, der dann aber im Hebräischen zum Dichter wurde. Deutsch war die Sprache seiner Mutter und die Sprache der Mörder seiner Mutter. – Hebräisch war die Sprache, in der er über die Welt schreibt, die er in deutsch und in anderen Sprachen erlebt hat.

Daraus ergab sich ein Geflecht von Spannungen, Anziehungen und Abstoßungen, Empfindlichkeiten, mit denen Appelfeld beim Schreiben auf seine ganz eigene Weise umging, und mit denen gerade die Übersetzerin ins Deutsche auf eine Appelfeld gemäße Weise umgehen musste.

Über mehrere Jahre habe ich mich mit Aharon Appelfeld immer wieder im Café Ticho in Jerusalem getroffen. Ich habe ihn zu bestimmten Formulierungen befragt, und oft wollte er einfach hören, wie sein Roman auf Deutsch gelesen klingt.

Foto: Von Jwh at Wikipedia Luxembourg, CC BY-SA 3.0 lu, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=32969143

הכתיבה

Das Werk

Aharon Appelfelds Sprache besticht zunächst durch ihre Schlichtheit und Konkretheit. Bei genauerem Hinsehen entdeckt man aber, daß er trotz dieses Grundtons immer wieder Anleihen bei sehr viel höheren Sprachebenen macht. Die Verbindung des schlichtesten, konkreten Registers der Sprache mit oft archaischen, zumindest aber ungebräuchlichen Formulierungen sind ein Problem, das den Übersetzer auf jeder Seite begleitet. Sie erzeugen eine Fremdheit in seinem hebräischen Stil; man merkt ihm an, daß er die Sprache nicht selbstverständlich benutzt, und gerade das macht einen Teil seiner unverwechselbaren Poetik aus.      

התרגום

Die Übersetzung

Wie kann man die Aharon Appelfelds Hebräisch inhärente Fremdheit, seine nicht selbstverständliche Beheimatung in der hebräischen Sprache, ins Deutsche bringen?

Der erste und wichtigste Kunstgriff war die Entautomatisierung der Sprache: Die Wörter so zu vereinzeln, daß man sie wieder als solche im Satz wahrnimmt und nicht nur als dienende Beiträger zu einer größeren Bedeutung des Satzes. Zum anderen wollte ich den Wörtern ihr Schweigen zurückgeben und ihr stetiges Staunen, das sich so oft in Appelfelds Erzählperspektive ausdrückt, etwa in dem dauernden „ich weiß nicht, warum“ oder „aus irgendeinem Grund“. Es ging darum, ihnen die selbstverständliche, unangefochtene Kollektivität der 1. Person Plural zu nehmen, damit die leise, ganz individuelle Stimme Appelfelds hörbar werden konnte.

Appelfelds deutscher O-Ton

Irgendwo scheint in Appelfelds hebräischen Texten immer wieder auch die deutsche Muttersprache durch. Hat er doch einen großen Teil der Wirklichkeit, die er in seiner Autobiographie beschreibt, auf Deutsch erlebt. Deshalb versuchte die Übersetzerin, in Gesprächen mit dem Autor dessen ganz persönliches Deutsch (das sich nur selten mit Czernowitzdeutsch deckt) herauszubekommen. In seinem Deutsch hieß es eben nicht „Kutsche“ und nicht „Pferdewagen“, sondern „Droschke“, und nicht „Stadtpark“ sondern eben „Volksgarten“. Diese ihm abgelauschten Worte sollten in der Übersetzung eine sprachliche Authentizität aus „erster Hand“ erzeugen.

Kein Jiddisch in der deutschen Übersetzung

Ein anderes Übersetzungsproblem war die grundsätzliche Ambivalenz des Autors gegenüber der Übersetzung seiner Bücher ins Deutsche: Sein Werk ist sehr jüdisch und andererseits sehr universal. Bei der Übersetzung ins Deutsche will er aber das Jüdische geradezu tilgen. In der deutsche Übersetzung sollte kein jüdisches Wissen vorkommen, das dem nichtjüdischen deutschen Leser eventuell den Zugang zum Text erschweren könnte: Deshalb heißt es in der Übersetzung nun  nicht: „Cheder“, sondern „Vorschule“, nicht „Siddur“ sondern Gebetbuch, nicht „Tallit“ sondern Gebetsschal. Darüber hinaus gilt bei Appelfeld ein absolutes Verbot, deutsche Wörter, die aus dem Jiddischen kommen, zu verwenden, also nicht „Ganoven“ sondern „Diebe“, nicht: „Jarmulke“ sondern „Käppchen“, etc.

Dadurch verliert der Text in der Übersetzung an diesen Stellen an Authentizität und Kraft. Mit dem Verzicht auf Lehnwörter aus dem Jiddischen vergibt man sich der Assoziationen, die andernfalls beim Leser aufkämen, Assoziationen, die genau hierher gehören und das Verständnis des Textes erweitern könnten. Doch das ist der Preis für die vom Autor geforderte enge Zusammenarbeit mit der Übersetzerin, von der die Übersetzung ja an anderen Stellen wiederum profitiert. (Mehr dazu können Sie hier lesen: Anne Birkenhauer, Die Suche nach dem richtigen Wort. Probleme beim Übersetzen von Aharon Appelfeld ins Deutsche. In: Sprache im Technischen Zeitalter, Juli 2005.)

הספרים

Die Bücher

Die Eismine. Alexander Fest Verlag 2000.
Alles, was ich liebte. Alexander Fest Verlag 2002.
Geschichte eines Lebens. Rowohlt Berlin 2005.
Bis der Tag anbricht. Rowohlt Berlin 2006.
Elternland. Rowohlt Berlin 2007.

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