יצחק לאור
Yitzhak Laor
Der 1948 in Israel geborene Yitzhak Laor zählt zu den großen Lyrikern seiner Generation und ist der eindeutig politischste und subtilste in der israelischen Gegenwartsliteratur. Seine Gedichte besitzen einen ganz eigenen flow, ein oft über die Zeile hinausschießendes Drängen von großer Präzision und persönlicher Ehrlichkeit, mit gerade deshalb oft widersprüchlichen Bildern.
הכתיבה
Das Werk
Die Ausdruckskraft von Yitzhak Laors Gedichten beruht auf einer sprachlichen Besonderheit, die das Hebräische vom Deutschen unterscheidet. Laor nutzt die Möglichkeit, in seinem modernen, oft mündlichen Hebräisch unbeschwert auf Jahrtausende alte Wortformen oder Phrasen zurückzugreifen, die bei den Lesern ganz bestimmte Textstellen und Kontexte aus der jüdischen Traditionsliteratur (Bibel, Talmud, Gebete) aufrufen.
Diese Anklänge machen seine Texte nicht etwa feierlich, sondern poetisch, sprachgewaltig und radikal. Oft werden gerade durch die Gegenüberstellung der „traditionell jüdischen“ und der „israelischen“ Sprachebene Denkweisen der heutigen Gesellschaft in Frage gestellt. Diese Art von Provokation überrascht bei einem so entschiedenen Linken, von dem man einen solchen Dialog mit den jüdischen Quellen zunächst nicht erwarten würde.
התרגום
Die Übersetzung
Und Laor nutzt noch eine zweite Besonderheit des Hebräischen: Durch den häufigen Verzicht auf gliedernde Interpunktion (besonders an Zeilenenden) schafft er syntaktische Mehrdeutigkeit: Was beim Reinlesen in einen Satz als Objekt erscheint, erweist sich am Ende derselben Zeile manchmal als das Subjekt eines neuen Satzes, und beides gilt, beides ist gemeint.
Solche Effekte sind in der Übersetzung schwer zu erzeugen, da das Deutsche so viel grammatischen „Kleister“ benutzt wie Flexionsendungen oder Präpositionen, die den Satz meist auf nur eine mögliche Lesart festlegen. Deshalb versuche ich, die aneinander gereihten Satzglieder immer mehr zu vereinzeln, sie immer weniger einer übergeordneten Syntax zu unterwerfen, sondern sie autonom, Bild für Bild nebeneinander zu stellen, damit man sie möglichst oft vor- aber auch rückbeziehen kann.
Beim Versuch, den intensiven Strom der Wörter nicht syntaktisch auf eine Deutung festzuklopfen, sondern so weit wie möglich in der Schwebe zu lassen, durften die Sätze aber nicht an Vehemenz und Verbindlichkeit verlieren.
Übersetzungsbeispiel Gedicht „Mein Gefährte“ (pdf)
Lyriker Jan Wagner über Yitzhak Laor. Aus der SRF Sendung „Passage. Wort, Klang und Bild: Lyrik im Gespräch“ von Felix Schneider, 16.11.2018. (Buchumschlag: Harald Niessner, Berlin, unter Verwendung des Gemäldes „The Red Sofa“ von Michal Rubens)