Cover Buch Tomer Gardi Eine runde Sache

תומר גרדי:
ואין לדברים סוף

Tomer Gardi:
Eine runde Sache

Dieser Roman, der 2022 mit dem Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Belletristik ausgezeichnet wurde, ist, wie schon vom Verlag angekündigt, „zur Hälfte aus dem Hebräischen übersetzt“. Denn in Eine Runde Sache erfüllt sich Tomer Gardi einen Traum, an dem er schon lange arbeitet: Er löst das Dilemma, sich zwischen seinen beiden Sprachen entscheiden zu müssen. So sagt sein literarisches Ich zu Beginn des Romans, 

»dass ich ein Idee für eine Geschichte habe, weiß aber nicht, ob ich es auf Hebräisch schreiben soll, oder auf meinem Deutsch. (…) Jeder Stimme wird ja was anderes und unterschiedliches Ausdrücken können. Andere und unterschiedliche Fantasien entwickeln, von andere und unterschiedliche Lebenserfahrungen erzählen können. (…)«

Er schickt sich, den Schriftsteller Tomer Gardi, im ersten Teil auf eine abenteuerliche Wanderschaft hinaus aus der Hauptstadt Berlin, und im zweiten, dem auf Hebräisch geschriebenen Teil, schickt er einen anderen Künstler auf die Reise: diesmal – nach detailreicher Recherche – eine historische Figur, den indonesischen Maler Raden Saleh, der im 19. Jahrhundert auf einem Segelschiff von der niederländischen Kolonie Java nach Europa reiste und in Berlin und Dresden berühmt wurde. Auch der ist in Europa eindeutig als Fremder zu erkennen; er muss sich in neuen Sprachen und neuen Kleidern zurechtfinden, fremde Machtstrukturen durchschauen, mit Fremdzuschreibungen umgehen und die Rollen verstehen, die seine Gastgeber ihm zuweisen. Er ist in Bewegung und verändert sich laufend. Was übernimmt er aus seiner neuen Umgebung? Und was bleibt von ihm „selbst“ am Ende dieser Bewegungen noch übrig? 

Nicht von ungefähr steht am Beginn des Romans ein Zitat des hebräischen Lyrikers Avot Yeshurun:

Das Verlassen selbst ist ein Punkt.

Das Verlassen kann man nicht widerrufen.

Nach dem Verlassen kommt immer Warum

hast du mich verlassen. Und die Sache hat kein Ende.

 

התרגום

Die Übersetzung

Eine runde Sache ist ein Roman, der die (Un-)Möglichkeit des Übersetzens auslotet. Was passiert mit Wörtern, Gedanken, Gesten, wenn wir sie in andere kulturelle Kontexte übertragen? Der Maler Raden Saleh ist eine ideale Figur, um dies zu erzählen. Wie erleben wir als „Einheimische“ (Leser der deutschen Übersetzung) die Fremdheit der Fremden? Wie erleben wir als Migranten die Fremdheit derer, die für uns eine neue Kultur repräsentieren?

Was auf Javanisch Sinn macht, ist auf Niederländisch sinnlos; was dem einen vertraut ist, ist dem anderen unverständlich.

Man spürt in der Geschichte die Freude des Erzählers, sich dem Fremdem langsam anzunähern und es erst nach und nach und doch nie vollständig zu verstehen.

Tomer Gardis Stimme im hebräischen Teil dieses Romans unterscheidet sich von den Stimmen, die wir von ihm bisher kennen: Die Maske des oft objektiv erzählenden Erzählers und der höfische Umgangston vieler Figuren ermöglichen es ihm, sich von seinem Stop-and-Go Rhythmus und dem häufigen Sich-Brechen der Sprachen zu entfernen und Sprache auf anderen Ebenen zu hinterfragen.

Meine Überlegungen beim Übersetzen drehten sich wie bei einem historischen Roman oft um eine historisch treue und soziologisch angemessene Wortwahl, um Fachterminologie. Wie immer ging es um den Prosa-Rhythmus und die präzise Wiedergabe der unterschiedlichen Perspektiven des Textes.

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Sonst kriegen Sie Ihr Geld zurück, Droschl Literaturverlag 2021.